Knapp an „standing ovations“ vorbei

Mössinger Chor „molto vocalis“ präsentierte am Samstagabend in der Martin-Luther-Kirche Bachs Weihnachtsoratorium

Von Norbert Leister (veröffentlicht im Schwäbischen Tagblatt; Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verfassers und des Verlages; Fotos: Leister)

Mössingen. Pauken und Querflöten setzten ein, schnell kamen die Streicher hinterher, dicht gefolgt vom Chor – festlicher Bombast am Samstagabend gleich zu Beginn des Weihnachtsoratoriums in der Mössinger Martin-Luther-Kirche. Der Chor „molto vocalis“ sang mit Orgel-, Orchester- und Solistenunterstützung in dem besonderen Gotteshaus die ersten drei Teile jenes Werks von Johann Sebastian Bach, das zu seinen bekanntesten und berühmtesten gehört.

Die Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt, das Oratorium hat offensichtlich nichts an Strahl- und Anziehungskraft verloren. Aber: Die Kosten für die Solisten und Orchester können dennoch nicht gedeckt werden, wie Dirigent und Organisator Ronald Hirrle verriet. Qualität kostet nun mal – und die wurde besonders durch die Tenor- und Bassstimmen von Alexander Efanov und Steffen Balbach demonstriert.

Aber: Die weiblichen Alt- und Sopranstimmen mit Ingrid Seidel sowie Laura Güldikenoglu standen den männlichen Solisten in nichts nach. Beide Sängerinnen sind gleichzeitig Mitglieder in „molto vocalis“. „Meine Frau Ingrid Seidel und ich bilden unsere Sängerinnen und Sänger selbst aus“, verriet Hirrle nach der Aufführung. Einige Auszeichnungen und Preise hatte der Chor schon gewonnen, der als Projektchor 1997 begann.

„Freude und fassungsloses Staunen in großer Zärtlichkeit über das Wunder, Gott kommt selbst in die Welt“, betonte Pfarrerin Frauke Dietz, die auch im Chor ihren Platz unter den 28 Sängerinnen und Sängern hatte. „Das Licht kommt in die Finsternis, um die Finsternis zu erhellen“, betonte Dietz weiter in der Lesung. In fantastische Musik umgesetzt hatte Johann Sebastian Bach diese Worte, diese Gefühle des Staunens über das große Wunder. Das Werk wurde 1734 erstmals aufgeführt.

Das Orchester setzte sich am Samstag aus 25 Musikerinnen und Musikern aus Mössingen, Tübingen und Stuttgart zusammen wie auch aus Mitgliedern der Württembergischen Philharmonie Reutlingen. Sie bestachen zusammen mit dem Chor durch die bombastische Festlichkeit – „wir haben die heutige Zeit und die heutigen Lebensgewohnheiten bei der Aufführung berücksichtigt“, so Hirrle.

Am Ende verdeutlichte das Publikum durch langanhaltenden Applaus für alle Musikerinnen, Musiker und den Dirigenten ihre Begeisterung über die gelungene Aufführung des Weihnachtsoratoriums. Der Beifall ging ganz knapp an „standing ovations“ vorbei – in anderen, nicht-klassischen Konzerten hätten die Zuhörerinnen und Zuhörer vehement „Zugabe“ gefordert.

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