Durch Lebensstürme ins Licht

Musikalisches und textliches Crossover von molto vocalis in der Martin-Luther-Kirche

Am Ende stand der Friede: Eingeleitet durch Laura Güldikenoglus innig vorgetragenes „Agnus Dei“ erklang als kraftvolle Bitte aus den 26 Kehlen der Sängerinnen und Sänger zum Abschluss des Konzerts das „Dona nobis pacem“ aus W.A. Mozarts Krönungsmesse.

Zu diesem Zeitpunkt hatten Chor und Besucherinnnnen und Besucher in der voll besetzten Martin-Luther-Kirche schon einen weiten musikalischen Weg hinter sich durch verschiedene Zeiten und Stilrichtungen. Ein Weg, der mit dem Rückblick auf Weihnachten begann, genau gesagt mit den beiden Chorälen „Wir singen dir in deinem Heer“ und „Ich steh an deiner Krippen hier“ aus J.S. Bachs Weihnachtsoratorium.

Beide Eingangsstücke brachten das „veränderte Vorzeichen zum ursprünglich geplanten November-Konzerttermin zum Ausdruck“, wie Frauke Dietz, die durch den Abend führte, erklärte. Denn nun komme man von Weihnachten her und man schaue nun voraus auf das vor uns liegende Jahr mit all seinen Unsicherheiten und Chancen. Doch das Licht nehme zu.

Dementsprechend stand auch das Licht als Symbol der Hoffnung nunmehr beim Neujahrskonzert des Mössinger Konzertchores ganz im Mittelpunkt. Beim Gemeindelied „Du Morgenstern, du Licht vom Licht“ vereinten Chor und Besucher gleich zu Beginn ihre Stimmen und die vierte Liedstrophe „Bleib bei uns, Herr, verlass uns nicht, führ uns durch Finsternis zum Licht, bleib auch am Abend dieser Welt als Hilf und Hort uns zugesellt“ klang wie eine inhaltliche Ouvertüre zum folgenden Programm.

„Bleib bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneiget“ bat der Chor unter der Leitung von Ronald Hirrle im anspruchsvollen, sechsstimmigen a-cappella-„Abendlied“ von J.G. Rheinberger, ein Motiv, das Ingrid Seidel in einer Arie aus der gleichnamigen Bachkantate zu Beginn und Laura Güldikenoglu und Martina Eyassu in einem Duett gegen Ende des Konzerts nochmals eindrücklich-eindringlich musikalisch verstärkten.

„Was gibt Zuversicht und Hoffnung angesichts der momentanen Finsternis in dieser Welt?“, fragte Frauke Dietz und der Chor antwortete mit drei Pop-Stücken: „Dust in the Wind“ von Kansas beschreibt unsere Vergänglichkeit, „May it be“ aus dem Herrn der Ringe, die Hoffnung auf den Abendstern, der im Dunkel scheint und „You raise me up“ die Hoffnung auf einen Beistand, die „mich erhebt, damit ich auf stürmischen Meeren gehen kann“. Mit dem „schönsten Hochzeitslied“ von S.C. Chapman „I will be here“ setzte der Chor diesen Gedanken einfühlsam fort und führte ihn kraftvoll mit dem „Herr-der-Ringe“-Klassiker „Into the West“ über die Zeit hinaus in Richtung Ewigkeit fort.

Das musikalisch-Textliche Cross-over des Abends führte das Publikum danach wieder in die Klassik, zu einem atemberaubend dicht und intensiv agierenden Terzett: Ingrid Seidel, Martina Eyassu und Laura Güldikenoglu trugen Mendelssohn Bartholdys Vertonung des 121. Psalmes „Hebe deine Augen auf zu den Bergen“ vor – ein weiterer von vielen Gänsehautmomenten an diesem Abend.

Zurück bei Pop appellierte der Chor danach mit Pete Seegers „Turn! Turn! Turn!“ an den menschlichen Mut zur Veränderung und mit „Bridge over Troubled Water“ an die Kraft der Solidarität. Die geballte musikalische Energie konnte das Publikum anschließend mit dem Gemeindelied „Vertraut den neuen Wegen“ zurückgeben: „Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt. Er selbst kommt uns entgegen. Die Zukunft ist sein Land. Wer aufbricht, der kann hoffen in Zeit und Ewigkeit. Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit“ erklang kraftvoll aus 200 Kehlen.

Spätestens da war das Motto des Abends „durch Zeit und Ewigkeit“ in aller Herzen angekommen und mutig wagte sich das Publikum danach noch an eine besondere Herausforderung. Das Gemeindelied „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ war nämlich von allen in der Vertonung J.S.Bachs zu singen, mit ungewohnter Rhythmik und vor allem eine Terz höher als vertraut. Doch „fürchtet euch nicht“, ermutigte Frauke Dietz lächelnd angesichts eines drohenden hohen F, „Wir sind bei Ihnen“ – und so sang das gesamte Publikum gemeinsam ein Stück Bachkantate.

Langer, intensiver Beifall beschloss das Konzert und etliche Besucher erzählten anschließend, bei einigen Stücken Tränen in den Augen gehabt zu haben. So erwies sich die Entscheidung als absolut richtig, das im November krankheitshalber abgesagte Konzert mit verändertem Vorzeichen und Programm doch noch durchzuführen, auch wenn Chorleiter Ronald Hirrle dafür enorm viel Energie aufbringen und in kurzer Zeit einige neue Stücke mit dem Chor einüben musste. Die vielen Rückmeldungen dankten es ihm und bestätigten wieder einmal, dass Musik eine Kraft hat, die Herzen berührt.

Die Zugabe des Chores fasste schließlich genau diese Zielrichtung dieses geistlichen Konzertes nochmals zusammen: Das englischsprachige Gebets-Lied „In your Arms“, in dem es ins Deutsche übersetzt heißt: „Durch die Stürme des Lebens leite mich in dein Licht. Durch dein Wort führe mich auf Weiden des Friedens. Halte mich fest – sichere Ruhe in deinen Armen.“

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